München: Eine Solidaritätserklärung

Ich freue mich, Herrn Fabian Iberls Solidaritätserklärung hier auf dem Blog veröffentlichen zu können. Als Ingenieur für Theatertechnik hat er einen klaren Blick auf die ungeklärte und widersprüchliche Praxis der Finanzämter, Theatergagen der Kostüm- und Bühnenbildner mit 19 % Umsatzsteuer zu belegen.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Unbehagen habe ich in der frisch erschienen Bühnentechnischen Rundschau als erstes den Artikel “Bühnen- und Kostümbild: Kunst oder Dienstleistung” gelesen. Ich bin Konstrukteur und stellvertretender Werkstättenleiter an an einem der Münchner Theater und habe in dieser Funktion täglich mit Szenografen zu tun. Ich muss zugeben, dass mir die Problematik Umsatzsteuergesetz im Zusammenhang mit den Gagen der Kostüm- und Bühnebildner bisher so nicht bewusst war. Als nebenberuflich auf eigene Rechnung arbeitendes “Ein-Mann-Kleinunternehmen” (Ingenieur für Theatertechnik) ist mir der Umgang mit dem Umsatzsteuergesetz jedoch bestens vertraut.

Beim Lesen des Textes ist mir aufgefallen, dass die Handhabung der Umsatzsteuer in der freien Wirtschaft grobe Differenzen zu der im Fall der Künstlergagen am Theater aufweist. Meine Gedanken sind folgende:

In der freien Wirtschaft ist die Umsatzsteuer für die Unternehmen/Dienstleister/Firmen usw. ein Durchlaufposten. Die Umsatzsteuer bezahlt am Ende der Konsument/Kunde/Endverbraucher. Das zeigt sich daran, dass Unternehmen die auf ihre eigenen Einkäufe entfallende Umsatzsteuer mit den von Endverbrauchern vereinnahmten Umsatzsteuerbeträgen verrechnen. Die Unternehmen übernehmen damit zwar die formale Abwicklung und die damit verbundene Bürokratie der Umsatzsteuereinnahmen, tatsächlich bezahlen tut die Umsatzsteuer aber der Verbraucher. Bei der Umsatzsteuer handelt es sich im Grunde genommen um eine Konsumsteuer, deren Bezeichnung unglücklich gewählt wurde.

Anders offensichtlich bei den Künstlergagen am Theater: hier sollen die Künstler die Umsatzsteuern sozusagen stellvertretend für die eigentlichen “Endverbraucher”, nämlich die Theater bezahlen. Mit einem fadenscheinigen Argument obendrein: die Kassen der Theater sind klamm, deshalb lässt sich die Umsatzsteuer nicht an den Endverbraucher Theater durchreichen. Das ist aber ein Totschlagargument, das vor allem von der Tatsache geschürt wird, dass man die Bezahlung der Künstler einmal als Gage betrachtet (sie sind ja im Grunde genommen so eine Art Arbeitnehmer mit keinerlei Arbeitnehmerrechten wie Kündigungsschutz oder ähnlichem) und andererseits als Brutto-Rechnungsbetrag, der für das künstlerische Auftragswerk vom Theater als Kunde zu entrichten ist.

Überträgt man die in der freien Wirtschaft selbstverständliche Praxis in Sachen Umsatzsteuer auf das Theater, zeigt sich die Groteske der Situation: da die meisten Theater öffentlich finanziert sind, fordern die Finanzämter im Grunde genommen Geld von sich selbst.

Die für die Kostüm- und Bühnenbildner tragische Situation ist, dass sich in den Theatern bei Vertragsverhandlungen die unappetitliche Praxis etabliert hat, eine Bruttogage zu verhandeln. Damit wird der schwarze Peter im Spiel mit dem Fiskus auf die Künstler abgewälzt.

Ich kenne aber kein Unternehmen das sich das bieten lassen würde. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer (beispielsweise vor knapp 10 Jahren von 16% auf 19%) musste der Endverbraucher tragen. In der Diskussion um die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes von 7% in der Hotelbranche wurde mit der den Konsum ankurbelnden Wirkung argumentiert.

Kauft ein Theater Material für ein Bühnenbild ein, so ist auch hier die Umsatzsteuer vom Theater zu bezahlen. Ich habe beim Einholen von Angeboten bei uns in der Werkstättenleitung jedenfalls noch nie auf einem Angebot den Vermerk gefunden, dass die Umsatzsteuer freundlicherweise die Zulieferfirma übernimmt.

Leider hat es der Gesetzgeber versäumt, für die Künstlerinnen und Künstler einen einheitlich geltenden Umsatzsteuersatz für alle Theaterschaffenden festzulegen. Insofern unterstütze ich Ihren Protest zu voll und ganz. Gleichwohl ist es mir aber ein Anliegen, auf das Kernproblem hinzuweisen. Nicht dass ich so realitätsfern wäre zu glauben, dass sich diese Situation leicht ändern ließe. Aber ich denke, wenn man die Lage so betrachtet, wie eben ausgeführt, wird die Argumentationslinie der Künstlerinnen und Künstler deutlich gestärkt.

Und ein wichtiger Punkt muss dabei auch beachtet werden: ein Durchschnittseinkommen von 11.400 Euro brutto bedeutet, dass diese Leute im Durchschnitt nahe an der offiziellen Armutsgrenze leben. Das tun Unternehmen in der Regel nicht. Zumindest nicht, wenn sie dauerhaft bestehen wollen.

Im Übrigen finde ich natürlich die Aussage Ihres Protestschreibens absolut richtig, dass der reguläre Umsatzsteuersatz im Zusammenhang mit künstlerischen Tätigkeiten in keinerlei Weise gerechtfertigt ist. Auch hier fördert der Gedankenansatz, dass die Umsatzsteuer stets vom Endverbraucher geschuldet wird, Interessantes zu Tage: Auf Konzert- und Theaterkarten wird der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7% erhoben, ebenso wie auf das Kulturgut Buch. Warum sollte der Theaterbesuch dieser Art der staatlichen Förderung unterliegen, wenn die Theatermacher wie Unternehmen der freien Wirtschaft betrachtet werden?

Ich hoffe, dass sowohl meine Gedanken als auch meine Solidarität den Künstlerinnen und Künstlern gegenüber durch diese Zeilen verständlich zum Ausdruck kamen. Ich wünsche Ihnen nun trotz aller ärgerlichen Begebenheiten ein gutes und erfolgreiches Jahr 2013 und verbleibe einstweilen

mit den besten Grüßen aus München

Ihr Fabian Iberl