Vested Memories

Foto: Barbara Loreck

Ausstellung 10. – 23. Mai 2012, UdK Berlin

Text: Barbara Loreck

Der Körper ist da. Er scheint da zu sein. Er verschwindet. Er zeigt sich verhüllt. Die Verhüllung ist da, auf ihn zu verweisen. Sie gestaltet den Wunsch nach modischer Zugehörigkeit zu einer Gruppe und ist gleichzeitig das Statement einer individuellen Einzigartigkeit.

Erinnerungen, Erlebnisse und das entfernte Wissen um seine Endlichkeit prägen den Körper. Ein Netz aus flüchtigen, unerwünschten, verleugneten und verdrängten Spuren zeichnet ihn. Diesen Spuren gehen die Arbeiten auf je eigene Weise nach. Es verbindet sie neben der theoretischen Auseinandersetzung ein experimenteller ästhetischer Prozess. Er dient der Suche nach Materialitäten und Formen, die die individuell und kulturell geprägte Verfasstheit von Körpern auf der Bühne und im Film in einem sichtbaren Gewand repräsentieren.

Die Gewandungen verdecken nichts. Im Gegenteil: Mit jeder Versuchsanordnung, mit jeder neu geschaffenen Stofflichkeit, mit jeder Bilderserie, mit jeder Frage wird eine Schicht abgetragen. Das ist besonders interessant in einem Bereich des Daseins, der heute am liebsten bemäntelt wird: Alter, Abschied, Tod. Diesem doppelseitigen Impuls folgend enthüllen die Arbeiten verschiedene Aspekte der Auseinandersetzung damit.

Das Herzstück der Kostümarbeit zeigt sich hier: Sie setzt unsichtbare, unbenannte Prozesse und Gedanken mittels Kleidung so um, dass ihnen ein neu gestalteter Raum in unserer Erfahrung zuteil wird.

Die Arbeiten von Kerstin Grießhaber und Julia Hartmann, Anna Leidenberger, Sayyora Muin und Charlotte Pistorius stehen exemplarisch für die an Recherche orientierte Arbeitsweise des Studiengangs Bühnenkostüm Prof. Florence von Gerkan an der Universität der Künste Berlin.

 

Fotos: Samuel Perriard

Den Tod tragen

In dem Projekt  setzen wir uns mit Tod und Trauer auseinander. Dazu erforschten wir die Toten- und Erinnerungskultur in Süddeutschland. Die Arbeiten thematisieren Trauerrituale, Trauerkleidung, Erinnerungsobjekte und Orte der Erinnerung und des Gedenkens. Wie erinnerte man sich früher an Verstorbene? Welche Rituale gab es? Objekte des Gedenkens waren z. B. im 17./18. Jahrhundert Totenbretter, die zur Aufbahrung der Toten dienten und als Andenken aufgestellt wurden sowie Bilder und Schmuck, die aus den Haaren der Toten gefertigt wurden. Man trauerte zu Hause, dort, wo man auch lebte, indem man Totenwache hielt und den Verstorbenen oder die Verstorbene auf die Bestattung vorbereitete. Vorwiegend wurde die Trauer von Frauen getragen – in gesellschaftlich festgelegten Formen der Bekleidung. Wichtig war für uns die damit verbundenen Prozesse in Kleiderformen zu überführen.

Kerstin Grießhaber und Julia Hartmann

 

Fotos: Anna Leidenberger

 

Foto: Anna Leidenberger

Körper und Zeit – über das Alter(n)

„Unter allen Realitäten ist das Alter vielleicht diejenige, von der wir im Leben am längsten eine rein abstrakte Vorstellung bewahren.“ Marcel Proust

Ich gehe vom menschlichen Körper aus um dieser abstrakten Idee vom Alter(n) näher zu kommen. Auf meiner Suche nach Lebensspuren, Geschichten, Er-und Gelebtem, Vergangenem, Vergessenem und Erinnertem sind die Fragen „Wann ist man alt?“ und „Was ist alt?“ entstanden. Inspiriert von Texten, Skulpturen und Fotografien entstand eine Reihe von Selbstversuchen. Sie konzentrierten sich auf Verwandlungen, Einfühlung und Experimente mit natürlichen textilen Materialien und deren Alterungsprozessen.

Anna Leidenberger

 

Fotos: Sayyora Muin

 

Foto: Sayyora Muin

Zurückbleiben … der Abschied

Die Arbeit ist meine Form des Abschieds von meinem Vater und eine Seelen -und Erinnerungsreise, die sich mit meiner Heimat Usbekistan auseinandersetzt. Meine Fragen zum Thema Abschied haben mich zu einer Recherche über das Sterben des Aralsees angeregt: Sein Gebiet, die  Landschaft und Menschen dort, ihre Lebensweise und ihre Trachten haben mir als Metapher gedient, um die richtigen Ausdrucksmittel für die Form,  Oberfläche und Strukturen der Figuren zu finden. Es war mir wichtig, dass die Materialien eins werden mit  dem ausgetrockneten salzigen Seeboden. Die Figuren sitzen im Kreis, sie schaffen einen Raum, in dem Stille und Ruhe herrscht, wo Zeit stehen bleibt.

Sayyora Muin

 

Videostandbild: Charlotte Pistorius

 

Videostandbilder: Charlotte Pistorius

Die Bekleidung der Fiktion – die Fiktion als Alltagskleidung

Den Moment der Unentscheidbarkeit im Theater der Gegenwart transformiere ich in meiner Videoarbeit auf bildhafter Ebene: Das dokumentarische Bild realer Gesprächssituationen wechselt sich mit dem Modell des Realen ab. Doch ist das Modell ein Spiegel der Wirklichkeit? Diskutiert werden die Sichtweisen von Kostümbildnerinnen auf ihr Material der Kleidung und die Wirkungsweise des Kostüms: Welche Spielräume eröffnen sich für das Kostüm am Ort der Fiktion, der auf die Aktivität des Gegenübers, des (individuellen) Zuschauers, setzt? Bleibt Alltagskleidung, was sie vorgibt zu sein?

Charlotte Pistorius